Einsamkeit überwinden: Wie Nachbarschaft Verbindung schaffen kann

Wie soziale Isolation unser Leben verändert und warum Nachbarschaft zur Heilung beitragen kann

Sie nagt, sie zwickt, sie schmerzt – und sie kann krank machen: Einsamkeit.
Spätestens seit der Corona-Pandemie gilt sie als eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts.
Doch was genau ist Einsamkeit, warum betrifft sie so viele – und kann Nachbarschaft tatsächlich ein Teil der Lösung sein?

Einsamkeit – ein universelles menschliches Gefühl

Einsamkeit ist eine universelle Erfahrung, die jeden treffen kann – unabhängig von Alter, Geschlecht oder sozialem Status.
Sie beschreibt die wahrgenommene Diskrepanz zwischen den Beziehungen, die man hat, und jenen, die man sich wünscht.

Es handelt sich also nicht nur um das „Alleinsein“, sondern um ein subjektives Gefühl des Ausgeschlossenseins, mangelnder Zugehörigkeit und emotionaler Leere.
Diese Empfindung kann sich tief auf Körper und Seele auswirken – und wird zunehmend als Problem der öffentlichen Gesundheit erkannt.

Einsamkeit in Zahlen – eine stille Epidemie

Studien zeigen, dass Einsamkeit weltweit stark zunimmt:

  • In Österreich gilt jede*r Fünfte als einsam.
  • In den USA fühlen sich über 47 % der Erwachsenen einsam.
  • Weltweit sind etwa 33 % der Bevölkerung betroffen.
  • Junge Erwachsene zwischen 18 und 22 Jahren gelten als die einsamste Altersgruppe.
  • Die Zahl der alleinlebenden Menschen ist in den letzten Jahrzehnten um über 30 % gestiegen.
  • Soziale Isolation ist so schädlich wie 15 Zigaretten am Tag und kann das Risiko eines vorzeitigen Todes um bis zu 50 % erhöhen.
  • Besonders betroffen sind ältere Menschen – Einsamkeit erhöht ihr Risiko für Depressionen und Demenz.
  • Männer geben häufiger als Frauen an, einsam zu sein; Frauen suchen jedoch öfter aktiv Hilfe.

Diese Zahlen machen deutlich: Einsamkeit ist kein Randphänomen, sondern eine der größten sozialen Herausforderungen unserer Zeit.

Alleinsein können oder müssen - ein entscheidender Unterschied

Der Schriftsteller Hans Krailsheimer brachte es auf den Punkt: „Allein sein zu müssen ist das Schwerste, allein sein zu können das Schönste.“ Und damit fasst er den Unterschied zwischen Einsamkeit und Alleinsein zusammen: Einsamkeit belastet, wenn soziale Interaktion oder ein Zugehörigkeitsgefühl fehlen.

Wir Menschen sind soziale Wesen und brauchen Kontakte, Freundschaften, soziale Eingebundenheit für unser Wohlbefinden!

Manche von uns sind von Natur aus introvertiert und brauchen Zeit für sich allein, um zu gedeihen. Es ist nichts Falsches daran, lieber allein zu sein. Und selbst ein Extrovertierter, der lieber mit anderen zusammen ist, braucht Zeit für sich, um mit sich selbst in Kontakt zu bleiben. Die Wissenschaft zeigt, dass wir auch als Introvertierte Kontakte benötigen.

Zwar besitzen Freundschaften, das betont Friedrich Nietzsche, durchaus einen hohen Wert, doch gerade deshalb misst auch er der selbst gewählten Einsamkeit eine besondere Bedeutung bei. So sei der Mensch als soziales Wesen grundlegend auf Beziehungen zu seinen Mitmenschen angewiesen – wer vor diesem Hintergrund der Vereinzelung standhält, geht mit einer Stärke daraus hervor, die anderweitig nicht zu erreichen ist. - Nicht erst Nietzsche erkennt in der Bindungslosigkeit ein solches Potenzial. Bereits Aristoteles widmet sich in der Nikomachischen Ethik der Autarkie, also der selbstgenügsamen Unabhängigkeit. Für ihn ist sie die Bedingung „vollendeter Glückseligkeit“. Eigentlich dem Göttlichen vorbehalten, vermag nur der Weise die Autarkie zu erahnen, wenn er sich im Denken von sozialen Abhängigkeiten löst. Doch ablassend von der geistigen Tätigkeit bleibt er als soziales Wesen stets auf Freundschaften angewiesen, um Glückseligkeit zu finden.

Bedürfnis nach Kontakt & Zugehörigkeit – Nachbarschaft?!

Hinter der Einsamkeit steckt vielfach das unbefriedigte Bedürfnis nach Kontakt und Zugehörigkeit. Dabei ist das Gefühl unabhängig davon, ob man sich unter Leuten befindet oder nicht. – Und die neuen Technologien, die sozialen Medien, sind Einsamkeits-Verstärker mittels imaginierter Verbindungen geworden. Den offenkundigsten Ausdruck findet dies in den Dating-Apps und wie dort das Begehren gemanagt wird. Die Leute haben den Eindruck, alles sei verfügbar und erreichbar, doch zugleich herrscht ein Mangel an echter Verbindung.

Einsamkeit kann auch auf innere Faktoren wie ein geringes Selbstwertgefühl zurückzuführen sein. Menschen ohne Selbstvertrauen glauben oft, dass sie die Aufmerksamkeit oder Wertschätzung anderer nicht verdienen, was zu Isolation und chronischer Einsamkeit führen kann. Auch Persönlichkeitsfaktoren können eine Rolle spielen.

Typische Einsamkeitsgefühle sind Traurigkeit, Niedergeschlagenheit, Hilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit, Langeweile, innere Leere, Selbstmitleid, Sehnsucht und Verzweiflung.

Dass Einsamkeit seelischen Stress auslöst, ist lange bekannt. Dabei entsteht häufig ein Teufelskreis: Betroffene schämen sich für ihre fehlenden sozialen Kontakte und ziehen sich noch mehr zurück. Das führt zu einem hohen Leidensdruck und wirkt sich negativ auf die Lebensqualität aus.

Sind Menschen sozial isoliert und haben über längere Zeit nur wenig soziale Kontakte, kann das ernsthafte körperliche Symptome hervorrufen.
Langandauernde Einsamkeit wirkt ähnlich wie chronischer Stress: Sie kann das Immunsystem schwächen, Blutdruck und Entzündungswerte erhöhen und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Depressionen deutlich steigern.

Gegen Einsamkeit helfen verschiedene Strategien, die von der Stärkung sozialer Kontakte bis zur Selbstreflexion reichen. Wege aus der Einsamkeit beginnen oft mit kleinen Schritten: ein Gespräch mit Nachbarn, der Besuch eines Vereins, eine gemeinsame Aktivität oder ein Anruf bei einer alten Freundin. Wichtig ist, Wichtig ist, Verbindungen wieder zuzulassen und sich bewusst auf Begegnungen einzulassen – denn Nähe entsteht, wenn Menschen sich gegenseitig wahrnehmen, zuhören und unterstützen.

Eine sich anbietende Option liegt – buchstäblich – vor unserer Tür: Nachbarschaft. – Gerade im nahen Umfeld können neue soziale Bindungen entstehen. Ob beim Treppenhausgespräch, im Gemeinschaftsgarten oder bei einem Nachbarschaftstreff – echte Begegnungen im Alltag können das Gefühl von Zugehörigkeit und Verbundenheit nachhaltig stärken.

Vielleicht liegt hier tatsächlich „das Ende der Einsamkeit“ – im bewussten Miteinander, im Interesse am Gegenüber und in der Erkenntnis, dass Nähe beginnt, wo Menschen einander wirklich wahrnehmen.

Quellen & Literatur

  • Weltgesundheitsorganisation (WHO): Global Report on Social Connection – Loneliness and Social Isolation as Health Risks, 2024.
    → Die WHO zeigt, dass weltweit rund jeder sechste Mensch von Einsamkeit betroffen ist. Soziale Isolation trägt jährlich zu etwa 871.000 Todesfällen bei.
  • Beiersdorf-Stiftung & Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW): Studie zu Einsamkeit und sozialer Isolation, 2024.
    → Laut der Untersuchung fühlt sich weltweit fast jeder Fünfte häufig einsam, in Deutschland etwa jeder Sechste. Besonders junge Menschen berichten über ein stark ausgeprägtes Einsamkeitsempfinden.
  • Nivea Connect Report 2025: Globale Online-Umfrage zum Thema Einsamkeit und soziale Verbindung.
    → Die Studie belegt, dass sich mehr als die Hälfte der Menschen weltweit einsam fühlt. In Österreich geben 37 % der Befragten an, soziale Isolation zu erleben. Jede*r Siebte ist überzeugt, dass Einsamkeit in den letzten zehn Jahren deutlich zugenommen hat.
  • Deutsches Ärzteblatt / Holt-Lunstad et al. (2015): Social Relationships and Mortality Risk.
    → Die Forschung weist darauf hin, dass soziale Isolation gesundheitlich so schädlich ist wie das Rauchen von 15 Zigaretten täglich und das Risiko eines vorzeitigen Todes um bis zu 50 % erhöht.